Herzerkrankungen und Sexualität: Ist Sex gefährlich für das Herz?

Nach einer Herzerkrankung ist oft vieles anders, auch das Sexualleben. Häufig gibt es hier Unsicherheit und Angst, dem ohnehin erkrankten Herzen durch Sex zusätzlich zu schaden. Klärende Fragen stellen Betroffene aus Scham bei der Ärztin oder dem Arzt nur selten, doch das muss nicht sein. Erfahren Sie hier, warum Sex für das Herz in der Regel nicht gefährlich ist und was sonst noch wichtig ist.

Sex hat für den Menschen viele Vorteile: Er trainiert den Körper und senkt dadurch den Blutdruck, zudem reduziert er Stress und hilft uns, besser zu schlafen. Neben den körperlichen Aspekten wirkt sich Sex aber auch auf die Psyche aus: Er verstärkt soziale Bindungen, die wiederum negativen Emotionen wie Einsamkeit, Angst oder Depression entgegenwirken können. Generell ist Sex also eine gesundheitsförderliche Aktivität. Doch ist Sex immer noch gesund, wenn das Herz erkrankt ist?

Wie ein schneller kurzer Spaziergang

In der Regel beansprucht Sex das Herz nicht stärker als das bei einem schnelleren Spaziergang der Fall ist. Der Puls steigt üblicherweise nicht über 130 Schläge pro Minute und der systolische (obere) Blutdruckwert nicht über 170 mmHg. In der Medizin ist sexuelle Aktivität definiert als leichte bis mittlere körperliche Aktivität über einen kurzen Zeitraum. Als Faustregel gilt: Wenn man zwei Stockwerke Treppensteigen schafft, ohne aus der Puste zu kommen, dürfte auch Sex kein gesundheitliches Risiko für das Herz darstellen.

Die Angst, den körperlichen Zustand durch Sex zu verschlechtern oder dass dieser zum Tod führt, ist in den meisten Fällen unbegründet. Die Gefahr beim Sex, einen Herzanfall zu erleiden, ist extrem gering. Außerdem ist dieses Risiko bei jeder körperlichen Aktivität im Gegensatz zum Ruhezustand leicht erhöht, unabhängig davon, ob es sich um einen schnellen kurzen Spaziergang oder eben um Sex handelt.

Psyche Belastung blockiert Sexualität

Diese Angst vor gesundheitlichen Problemen wirkt sich jedoch häufig auf das Ausleben der Sexualität aus. Hinzu kommt, dass Herzerkrankungen wie Herzinfarkte, Herzklappenerkrankungen, Herzrhythmusstörungen, Erkrankungen der herzversorgenden Blutgefäße (koronaren Herzkrankheit, KHK) oder die häufig daraus resultierende Herzschwäche (Herzinsuffizienz) sich ebenso auch auf die psychische Verfassung auswirken. Vieles, was einst möglich war, ist nach einer Herzerkrankung oft eingeschränkt, teils nicht mehr möglich oder muss wieder langsam zurückerobert werden. Als Folge entstehen oft Ängste und teils auch Depressionen bei Herzpatientinnen und Herzpatienten. Diese wirken sich zusätzlich negativ auf die Lust und sexuelle Aktivität der Betroffenen als auch auf deren Partnerinnen und Partner aus.

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Bevor es losgeht: Checkup beim Arzt

Auch wenn es vielen Menschen peinlich ist, bei ihrer Ärztin oder ihrem Arzt das Thema Sex anzusprechen, gehört es für Ärztinnen und Ärzte zum normalen beruflichen Alltag dazu. Sexuelle Aktivität zählt zu den Grundbedürfnissen des Menschen und ist daher mitbestimmend für die individuell empfundene Zufriedenheit und Lebensqualität. Sind diese Aspekte nach Ihrer Herzerkrankung eingeschränkt, ist es wichtig, dass Sie sich vor der Wiederaufnahme der sexuellen Aktivität vertrauensvoll an Ihre Ärztin oder Ihren Arzt wenden. Nur diese oder dieser kann die gesundheitlichen Aspekte Ihrer Herzerkrankung beurteilen und gegebenenfalls körperliche Belastungstests mit Ihnen durchführen.

Vorsicht bei Medikamenten

Da Herzerkrankungen diverse Ursachen haben, werden sie unterschiedlich behandelt. Auch wenn sich beispielsweise manche Herzmedikamente auf die Sexualität auswirken können, ist es wichtig, dass Sie die Medikamente weiter regelmäßig einnehmen und Ihre Bedenken mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt besprechen. Sollten sexuelle Funktionsstörungen vorliegen, können bestimmte Medikamente wie PDE-5-Hemmer hier Abhilfe schaffen. Gleichzeitig sind diese Medikamente aber bei bestimmten Herzerkrankungen sowie -medikamenten nicht erlaubt oder nur unter Vorbehalt einzunehmen. Aus diesem Grund ist es hier zwingend erforderlich, dass Sie dies mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt besprechen und wissen, ob und wie Sie solche Medikamente einnehmen können.

Schritt für Schritt zurück ins (Sexual-)Leben

Wenn Sie sich bereit fühlen und Sie grünes Licht von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt erhalten haben, gibt es ein paar generelle Tipps, die Ihnen beim Wiederaufnehmen der sexuellen Aktivität helfen können.

  • Stellen Sie sich selbst nicht unter Druck und versuchen Sie, ausgeruht und entspannt zu sein.
  • Um zusätzlichen Stress zu vermeiden, wählen Sie für den Anfang idealerweise eine gewohnte Umgebung und einen Menschen aus, den Sie kennen und dem Sie vertrauen.
  • Es ist ratsam, etwa eine Stunde vor dem Sex auf schwere Mahlzeiten zu verzichten. Auch starker Alkoholgenuss kann sich körperlich negativ auswirken.
  • Probieren Sie anfangs am besten einfache, körperlich nicht anstrengende Stellungen aus, die die Atmung nicht einschränken.
  • Liegende Positionen oder bei denen beide Personen nebeneinander liegen sind empfehlenswert.
  • Nutzen Sie das Vorspiel, um sich schrittweise an die erhöhte Aktivität zu gewöhnen. Machen Sie Pausen, wenn Sie eine benötigen.

Denken Sie daran, sich selbst Zeit zu lassen und nicht das Erreichen des Orgasmus in den Fokus zu setzen. Um Ihre körperliche Verfassung auch für den Sex zu verbessern, kann regelmäßiger Sport helfen. Im Rahmen einer Herzsportgruppe können Sie unter ärztlicher Kontrolle Ihre Kondition verbessern – sprechen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt darauf an.

Warnzeichen, dass Sie noch nicht so weit sind

Treten während des Sex oder anderer körperlicher Betätigung folgende Symptome bei Ihnen auf, ist es wichtig, dass Sie sich an Ihre Ärztin oder Ihren Arzt wenden:

  • Kurzatmigkeit oder Atemnot
  • Schmerzen in der Brust
  • Unregelmäßiger Puls
  • Übelkeit oder Verdauungsstörungen
     

Wie verhält es sich nach Eingriffen am Herzen?

Auch nach Eingriffen am Herzen wie beispielsweise an den Herzklappen ist es nach einer gewissen Zeit der Genesung und Erholung in vielen Fällen wieder möglich, ein aktives Sexualleben zu führen.

Ein Beispiel für eine Herzklappenerkrankung ist die Mitralinsuffizienz. Hier schließt die Herzklappe zwischen der linken Herzkammer und dem linken Vorhof, die Mitralklappe, nicht mehr vollständig. Neben einer medikamentösen Behandlung der Symptome, gibt es bei dieser Erkrankung auch die Möglichkeit durch einen chirurgischen Eingriff die Ursache, also die undichte Klappe, selbst zu behandeln. Im Vergleich zum Eingriff am offenen Herzen ist die perkutane Mitralklappenrekonstruktion weniger invasiv. Der Zugang zum Herzen erfolgt meist mithilfe eines Katheters über einen kleinen Schnitt in der Leiste. Der Vorteil ist, dass Betroffene dadurch in der Regel schneller wieder auf den Beinen und somit oft auch schneller wieder Zuhause sind. Mit dem sogenannten MitraClip™ können Kardiologen und Herzchirurgen die Mitralklappe mittels eines kleinen Clips so reparieren, dass sie wieder richtig schließt und der Blutfluss im Herzen sich normalisiert.

Nicht nur undichte Herzklappen sind auf diese minimalinvasive Weise behandelbar, sondern auch verengte Herzklappen. Die Aortenklappenstenose therapieren Ärzte zum Beispiel mithilfe des Navitor™ TAVI-Systems. TAVI bedeutet zu Deutsch Transkatheter-Aortenklappenimplantation und ist die Abkürzung des englischen Begriffs „transcatheter aortic valve implantation“. Dies ist ein Verfahren, bei dem mittels Schlüsselloch-Chirurgie die verengte Aortenklappe durch eine künstliche Klappe ersetzt wird.

Aber selbst bei minimalinvasiven Eingriffen an den Herzklappen ist es wichtig, dass Sie sich vor der Wiederaufnehmen der sexuellen Aktivität mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt dazu austauschen. Es ist besser, die körperliche Fitness ärztlich abklären zu lassen, bevor Sie sich körperlich wieder entsprechend belasten.

Partnerin oder Partner nicht vergessen

Untersuchungen zeigten, dass bei vielen Partnerinnen oder Partnern von Betroffenen, die sich in einer kardiologischen Rehabilitation befanden, sexuelle Belange zu den am häufigsten genannten Stressfaktoren zählten. Viele Paare machen sich in erster Linie Sorgen um den Geschlechtsverkehr und haben Angst vor einem Herzanfall. Dass dies auch zu Stress und Problemen in der Partnerschaft führen kann und sich dies ebenso negativ auf die Gesundheit auswirkt, ist vielen nicht bewusst.

Nachdem es zu einer schweren Erkrankung wie einem Herzinfarkt oder ähnlichem gekommen ist, ist es oft erforderlich, sich als Paar neu zu definieren und möglicherweise auch neue oder andere sexuelle Verhaltensweisen zu finden. Auch hier gibt es Möglichkeiten, sich Hilfe und Unterstützung zu holen. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt kann Sie hierzu beraten.

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